Der Möbel-Vintage-Wahn: Warum shabby nicht gleich Upcycling ist

    Retrokommode auf alt gemacht

    Wie wollen wir wohnen?

    Ja, wir wollen Individualität. Ja, wir wollen etwas Besonderes. Wer will schon die gleiche, langweilige Einrichtung haben wie der Nachbar und der Nachbar des Nachbarn, der Vormieter oder die Leute, die glauben der Roller-Markt verkauft wirklich Möbel und keinen in Form gepressten Müll?

    Wir wollen etwas, das wir gerne haben, das wir benutzen können ohne krank zu werden, das wir immer wieder anschauen können, ohne, dass wir uns ärgern und etwas, das auch mehr als einen Umzug überleben kann.

    Die Wohnung, das Haus, die eigenen vier Wände sind unser intimster Rückzugsbereich. Hier dürfen wir, wir selbst sein, so wie wir uns sehen, so wie wir sein wollen, so wie wir wirklich sind. Wir wollen nicht hausen, nicht überleben, nicht mal eben auf der Durchreise verweilen. Hier wollen wir ankommen, bleiben und uns einen sicheren Ort, einen Hort der Entspannung, der Inspiration oder des angenehmen Arbeitens schaffen.

     

    Die Branche kennt unsere Bedürfnisse

     

    Auf der Suche nach den kleinen Mobilien für unsere großen Immobilien werden wir nun natürlich kräftig von den großen der Branche umworben. Der Markt für Möbel und Einrichtung ist riesig und er wird niemals enden. Die Menschen werden wohl nie in einer dunklen, leeren Höhle bleiben wollen und auch sicher nicht in einem großen, weißen, luftigen Kubus. Sie brauchen die Dinge, die Objekte.

    Ein Tisch, ein Stuhl, ein Bett, ein Schrank. So war es und so wird es wohl noch für sehr lange Zeit sein.

    IKEA, MannMobilia und Segmüller und wie sie alle heißen, sind dabei verständlicherweise opportunistisch. Sie geben uns was wir wollen und was die Mode gerade en Vogue transportiert hat. Und hier treibt die Industrie gerade sehr lustige Blüten.

    Auf der Suche nach umweltbewusstem Wohnen, nach Individualität und der Entscheidung sich keinen Müll mehr zu kaufen, der aus Pressspan, Plastik, Billigleimholz oder anderem Mist besteht und der meist mit noch mehr Mist imprägniert, gefärbt, "veredelt" oder schlicht lackiert ist, erinnern wir uns an das einzige Möbel, was tatsächlich so ist, wie wir es uns wünschen: ökologisch, schön, hochwertig, einzigartig, wertbeständig, widerstandsfähig und ziemlich hipp: ANTIQUITÄTEN.

     

    Antik ist schön!

     

    Wir denken an den Charme, die Wertigkeit und die Geschichten, die in solchen Möbel stecken. An das Edle, das Verwunschene, das Stabile und dass es sie nicht aus Massenproduktion stammen und daran, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der Nachbar die selbe Schrankwand für 699,-€ in einer halben Nacht zusammengebaut hat, doch recht unwahrscheinlich ist.

    Mit diesem Bild im Kopf blättern wir Zeitschriften durch und Onlineshops und sehen Serien und Filme in denen wir unterbewusst mit zeitgemäßen, coolen und interessanten Einrichtungen konfrontiert werden. Unser Unterbewusstsein speichert all diese Eindrücke. Da ist es schon geboren: das Unwort der Möbeljahre 2000 - 2014: VINTAGE oder wahlweise auch SHABBY, USED-LOOK oder RETRO.

    Nachgemachte Kommode im Shabbylook

     

    Wir sehen diese Möbel so charmant und individuell, in allen Farben auf einmal in Katalogen und in riesigen Möbelmärkten und unsere Bedürfnisse nach Umweltbewusstsein, Individualität und Magie sollen erhört worden sein. Ob es weiße Kommoden bei IKEA sind, oder lange Tische in Buchenoptik bei Möbel Martin, vielleicht auch der Landhausküchenschrank bei einem mir bis dato noch unbekannten Onlineshop oder der angeblich aus alten Hölzern hergestellte Stuhl aus Bootsplanken beim Indian House. Die Angebote quillen nur so über von Möbeln, die echten Antiquitäten zieeeemlich ähnlich sehen. Ab und an werden sie natürlich auf die Bedürfnisse des Kunden angepasst (übrigens das einzige Argument für diese Art von Möbeln). Da werden Schubladenschränke mit geringerer Tiefe angeboten oder Tische mit kleineren Zargen und längeren Platten.

     

    Was ist daran so schlimm?

     

    Jetzt das Problem dabei: ES IST NICHT ÖKOLOGISCH, ES IST NICHT WERTBESTÄNDIG, ES IST NICHT UNGIFTIG, ES IST NICHT EINZIGARTIG, MEIST NICHT SEHR STABIL, NICHT EINFACH AUFZUBAUEN, NICHT HERKUNFTSSICHER, NICHT REGIONAL UND VOR ALLEM ÜBERHAUPT NICHT BIO, JA ES IST MEISTENS NOCH NICHT MAL WIRKLICH SCHÖN!!!!

     

    Sessel im Barockstil aus einem Retroshop

     

    Diese Möbel, die aussehen als seien sie antik, die mit Vintage, Shabby, Used-look, Retro oder Landhausstil beworben werden, die aussehen als hätte man sie gerade dem Sonnenkönig unter dem Arsch weggezogen oder als hätten sie Faitradebauern in Indien am Strand aus alten Booten zusammengebaut und dann nach Europa schwimmen lassen. NICHTS von diesen Möbel ist original. Sie sind eine Lüge!

     

    Alternativen

     

    Es gibt beinahe in jeder größeren Stadt Antiquitätenhändler, Gebrauchtmöbelhändler oder Second-Hand-Shops. Das Internet bietet auch hier jedem die Möglichkeit fündig zu werden. Es muss ja nicht der Sekretär von 1810 in Kirschbaum sein und auch keine Louis-Quatorze-Kommode aus einem Schloss an der Seine. Klar, dass man sich auskennen sollte bevor man in sehr seltene Raritäten investiert, die man auch in Museen findet. Aber die "normalen" antiken Möbeln sind alles andere als teuer. Meistens kosten sie sogar genau so viel, wie neue Möbel oder sind sogar günstiger.

    Sich eine neue Vintagekommode oder ein Indien-tisch zu kaufen, ist genauso verrückt, wie eine Wurst zu kaufen auf der Bi-oh anstatt BIO steht oder mit dem Auto auf eine Demo für mehr Fahrräder zu fahren oder sich ein minderwertiges Markenshirt in Bangkok zu kaufen und sich dann zu wundern, dass der Ralph Lauren stinkt oder das Krokodil auf der Haut juckt.

     

    Antike Möbel sind WAHRES Vintage. Antiquitäten sind WAHRES Shabby!

    Ein Used-look ist vor allem dann nicht nur ein Look, wenn das entsprechende Objekt eben wirklich "USED" ist. Die Patina (wie der Fachmann es nennt), die Abstossungen und kleinen Kratzer und der sanfte Glanz eines frisch restaurierten Schrankes machen es ECHT und WAHR. Es besteht kein Grund auf diese Retro-Fälschungs-Verrücktheiten reinzufallen. Diese neue Gegenstände schaden der Umwelt sogar noch mehr als gewöhnliche neue Gegenstände, da noch mehr Energie und Ressourcen darauf verwendet werden, sie alt aussehen zu lassen. Das ist, Entschuldigung, pure Idiotie!

     

    Second-Hand-Laden mit originalen Upcyclingmöbeln

     

    Vorteile echter antiker Möbel

     

    Antiquitäten sind darüber hinaus nicht nur weniger umweltschädlich als neue Möbel, sie sind auch tatsächlich einzigartig. Vor 1930 gab es eigentlich keine mit heutigen Stückzahlen vergleichbare Produktion von Möbeln. Erst hier begann eine neue Massenindustrie zu entstehen. Aber auch Möbel aus eben dieser oder späterer Zeit sind immerhin noch gebraucht und müssen nicht extra für den Verbraucher neu produziert werden. Wenn man so etwas individuelles und schönes kauft, ist man ja noch nicht mal ein Verbraucher, sondern wohl eher ein Weiterverwender, ein neuer Besitzer, ein Sammler oder eben ein wirklich Umweltbewusster.

     

    Ein antiker Stuhl in Aufarbeitung

    Wohnen und Gesundheit

    Antiquitäten bestehen auch aus viel weniger Einzelkomponenten und Chemikalien. Sie sind meist nur aus Holz, Schellack, Naturwachs, Leim, Nägeln und etwas Eisen. Heute werden in der Möbelindustrie mehr als 2000 verschiedene Oberflächen, Imprägnierstoffe, Farben und Chemikalien verwendet, die von der EU zwar zugelassen sind, aber von denen kein Mensch wirklich weiß, wie sie sich langfristig auf uns und unsere Umwelt auswirken. Und wenn sie geglaubt haben, diese Stoffe bleiben da wo sie sind, nämlich in den Möbeln, haben sie sich leider getäuscht. Sie emittieren und gasen aus. Aus Platten, Teppichen, Oberflächen, Schubladen, beim Abrieb, beim Anfassen, beim Säubern. Sie gelangen dahin wo wir schutzlos sind: auf unsere Haut, in unsere Atemwege und in unsere Schleimhäute.

    Zugegeben: das mag bei einem neuen Teppich oder bei einem Bürostuhl nicht viel ausmachen, aber bei einer kompletten Einrichtung mit der man sein halbes Leben verbringt, jeden Tag, und bei dem es vielleicht Stoffe gibt, die selbst auf molekularer Ebene Schäden anrichten, kann das sehr wohl eine Rolle spielen. Diese Möbel sehen vielleicht im Gegensatz zu den Unebenheiten und Makeln antiker Stücke clean und sauber aus...aber sie sind es nicht!

     

    Warum sollten wir uns Möbel kaufen die noch nicht da sind und erst für unsere Bedürfnisse produziert werden? Weil sie nicht da sind und wir sie brauchen, ok, aber: Brauchen wir Möbel, die nach ANTIK aussehen aus einer Fabrik in China oder Polen??? Brauchen wir Möbel, die aussehen als kämen sie aus einem alten Landhaus in der Provence aber in Wirklichkeit haben sie Menschen unter widrigen Umständen, aus minderwertigem Material, tausende Kilometer entfernt zusammengeschraubt?

     

    Billig wird teuer

     

    Antiquitäten sind bereits da. Sie sind da. Sie sind da. Warum sollte man sich eine neue Lampe kaufen, zwei neue Stühle oder einen schönen Spiegelrahmen, wenn es sie schon alle gibt. Ok, weil es billiger ist. Das mag sein. Es mag sein, dass es billigere Stühle bei Roller gibt als beim Secondhand- oder Antikladen um die Ecke. Aber wenn die nach zwei Jahren wackeln oder man merkt, dass man sie niemals mehr weiterverkaufen kann und sie zwangsläufig bei der nächstem Umräumaktion oder dem Umzug auf dem Sperrmüll landen, ist billig vielleicht in Wirklichkeit recht teuer!

     

    Antiquitäten sind wertbeständig. Sie lassen sich weiterverkaufen, wenn man sie nicht mehr braucht oder sich sattgesehen hat (was meist ohnehin selten der Fall ist). Sie sind eine Investition.

    Wenn sie lange genug aufgehoben werden, kann man sie oft zum gleichen Preis verkaufen zudem man sie einst erworben hat. Viele verkaufen Sie nach noch einigen Jahren mehr sogar noch teurer weiter. Man hat sie also dann nicht nur kostenlos benutzt, man hat sogar noch einen Gewinn gemacht. Der mag zwar nicht hoch sein aber höher als die Inflation allemal.

     

    Impressionen aus einem Antiquitäten-Fachhandel

     

    Es ist sicher nichts dagegen einzuwenden sich einen neuen Gegenstand zu kaufen, auch wenn es sich um einen Einrichtungsgegenstand handelt. Aber wenn Sie Vintage und Shabby lieben; wenn sie diesen einzigartigen Charme vergangener Zeiten bewundern und etwas besitzen möchten, dass nicht nur schön, sondern auch wertbeständig, ökologisch und einzigartig ist, dann kaufen Sie das Original. Kaufen sie nichts auf dem drauf steht Chinesisch, Indisch, aus altem Holz, Shabbyusedvintage oder wasweisich. Es gibt nur einen Gegenstand der all diese Kriterien wirklich erfüllt:

     

    EINE ECHTE ANTIQUITÄT.

     

    Der Kunde entscheidet, nicht die Industrie

     

    Lassen sich sich nicht für dumm verkaufen. Kaufen Sie regional, kaufen Sie nachhaltig und haben Sie Spaß dabei die Menschen zu unterstützen, die in Ihrer Stadt mit Ihren eigenen Händen Waren schaffen von denen Sie weit mehr wissen als von der Hose aus Fernost, der Lampe aus dem Orient oder dem Tisch aus Indien. Die Onlineshops sind voll mit solchen zweckentfremdeten, alten, gebrauchten, liebevoll restaurierten oder kunstvoll neu designten Objekten. Es macht Spaß so etwas Einzigartiges zu besitzen und zu wissen aus was es besteht, woher es kommt, wer es gemacht oder wieder aufgearbeitet hat und dass es noch nicht mal teuer war.

     

    Wir hoffen auf mehr Menschen, die anstatt auf Amazon auch mal auf Dawanda shoppen, die anstatt zu IKEA auch mal zum Gebrauchtmöbelmarkt gehen, die anstatt bei Segmüller auch mal was gebraucht bei EBAY ersteigern, die anstatt zum IndienHouse mal lieber zum Antiquitätenhändler gehen oder das alte Vertiko von Omi lieber restaurieren lassen anstatt sich einen neuen Schuhschrank zu bestellen.

     

    Ja wir sagen das auch weil wir Umsatz machen wollen. Es wäre eine Lüge, das Gegenteil zu behaupten. Aber wir sagen es auch, weil wir es lieben, weil wir dahinter stehen, und uns selbst aus Überzeugung und Freude so einrichten und weil wir Teil einer besseren Welt sein wollen  und weil wir so naiv und schlau sind daran zu glauben.

     

    Danke für's Lesen und Teilen, wenn Ihr mögt.

     

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    Kommentare: 4
    • #1

      Ilse (Samstag, 18 August 2018 03:38)

      Ich liebe alte Möbel. Für unseren Eingangbereich habe ich über https://www.original-antike-moebel.de/ eine schöne Kommode gekauft. Das wirkt alles ganz anders, wenn solch ein tolles Stück im Raum steht.

    • #2

      Home Art Antik (Sonntag, 10 März 2019 23:13)

      Hallo Kollegen,sehr gut das Thema erklärt, nur ich glaube der Prozess des Denkens ist nur wie eine einfache mechanische Strickmaschine - sie sind sehr schnell aber ziemlich geschädigt.Sie wurden neu programmiert und reduziert auf einfache Muster und Denkweise wie Steckspiele für Dreijährige Kinder.Was nicht in der Vorlage passt - wird nicht gekauft!
      Deshalb haben Industriewaren den höheren Stellenwert als Handarbeit & Naturholz!
      Alles Gute aus Salzburg wünscht
      Jakob Nermesan

    • #3

      e (Donnerstag, 27 Mai 2021 16:04)

      1'"

    • #4

      1 (Freitag, 02 September 2022 19:02)

      1